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„Ist es schlimm, wenn Jungs mit Puppen spielen?“ – Sieben gute Gründe, warum (Waldorf-) Puppen auch für Jungs wichtig sind

(Alles Jungspuppen auf den Bildern in diesem Beitrag habe ich in den letzten Jahren genäht)

 Seit fast 20 Jahren bin ich Puppenmacherin und genau so lange höre ich immer wieder (und auch immer noch) die Fragen:

Sind Puppen auch für Jungs geeignet? Dürfen Jungs mit Puppen spielen? Warum sollte ein Junge mit Puppen spielen (müssen/ dürfen)?

Zunächst einmal: Aus meiner Sicht kann man auch ganz ohne Puppen eine wunderbare Kindheit verleben! Nicht alle Kinder, egal ob Junge oder Mädchen, haben Interesse an Puppen oder an dem Spiel mit Puppen – und das ist vollkommen in Ordnung und darf dann durchaus respektiert werden.

ABER: Gerade, wenn Kinder noch sehr klein sind, haben Eltern, Erziehende und Umgebung ja schon noch einen gewissen Einfluss auf die Wahl der zur Verfügung stehenden Spielzeuge. Und da würde ich als promovierte Pädagogin, Elternberaterin, Mutter von vier Söhnen und Puppenmacherin, durchaus allen ans Herz legen, gerade auch einem kleinen Jungen eine Puppe an die Hand zu geben. Vielleicht ignoriert er sie. Vielleicht wird sie ihm Gefährtin durch die Höhen und Tiefen seines Kinderlebens. Und vielleicht spielt er auch mit ihr.

Es ist wichtig, dass Jungs und Mädchen die Freiheit haben, mit den Spielzeugen zu spielen, die sie ansprechen, unabhängig von Geschlechterklischees. Das Spielen mit Puppen kann eine wertvolle Erfahrung für Jungs sein, die ihre Entwicklung in vielen Bereichen unterstützt.

Und hier kommen nun SIEBEN GEWICHTIGE GRÜNDE, warum ich das Spiel mit Puppen gerade auch für Jungs für wichtig und bereichernd halte:

  •  Emotionale Verarbeitung: Das Spiel mit Puppen kann Jungs dabei helfen, Gehörtes und Erlebtes, Ängste und Sorgen im Spiel Revue passieren zu lassen und dadurch zu verarbeiten. Darüber hinaus können Puppen als emotionale Begleiter fungieren
  • Stärkung sozialer Fähigkeiten: Im Puppenspiel kann gelernt werden, sich in andere hineinzuversetzen und ihre Gefühle zu verstehen. Rollenspiele können Jungs helfen, ihre Gefühle auszudrücken und zu verarbeiten.
  • Gleichberechtigung im Alltag/ Aufbrechen von Geschlechterklischees: Puppen fördern eine geschlechtsneutrale Erziehung und helfen, stereotype Rollenbilder aufzubrechen und zu hinterfragen. Jungen können im Spiel mit Puppen früh lernen, dass Aufgaben wie Kindererziehung und familienbezogene Tätigkeiten nicht geschlechtsspezifisch sind.
  • Förderung der Kreativität/ Anregung der Fantasie: Das Spielen mit Puppen ermöglicht es Jungs, Geschichten zu erfinden oder nachzuspielen und dadurch ihre Vorstellungskraft auszuleben, aber auch Erlebtes zu verarbeiten. Kleinste Episoden aus dem eigenen Alltag werden oft ausdauernd nachgespielt und dadurch verarbeitet. Waldorfpuppen mit ihren reduzierten Gesichtszügen regen de Fantasie an, ihr Gesichtsausdruck kann in jede erwünschte Richtung interpretiert werden.
  • Verbesserung der Sprachkompetenz: Oft sprechen Kinder in Rollenspielen mit Puppen laut (vor sich hin). Dadurch wird nicht nur die Fantasie angeregt, sondern auch die sprachliche Ausdrucksfähigkeit verbessert.
  • Vorbereitung auf Geschwisterrolle/ Verantwortungsbewusstsein: Jungs können im Spiel mit der Puppe lernen, sich um jemanden zu kümmern und Verantwortung zu tragen. Daher kann eine Puppe auch helfen, fürsorgliches Verhalten spielerisch zu erlernen und sich auf ein neues Geschwisterkind vorzubereiten. Und hieran anschließend gleich der perspektivische und letzte Punkt:
  •  Vorbereitung auf eigene künftige Elternschaft: Jungen lernen beim Spiel mit einer Puppe, Verantwortung zu übernehmen und empathische Fähigkeiten zu entwickeln, z. B. durch das An- und Ausziehen und Waschen der Puppe, durch füttern und wickeln. Es ist wünschenswert, dass Jungs frühzeitig verinnerlichen, dass Fürsorge und Empathie auch männlich Eigenschaften sind.


Falls also beim nächsten Mal die Schwiegermutter oder Onkel Olaf wieder sagen, dass der Junge doch keine Puppe braucht, dann hast du jetzt vielleicht ein paar überzeugende Satzbausteine zur Hand!

(Aus unserem Fotoalbum: Bilder meiner beiden Ältesten, als sie noch klein waren)

Ach ja, wichtig ist mir noch Folgendes: Nichts ist hier „falsch“ oder „richtig“ – jedes Kind, das Zeit, Raum und Muße hat, um zu spielen, ist auf einem guten Weg!

Und zum Schluss hier noch eine Anmerkung: Aus meiner persönlichen Sicht besteht schon ein Unterschied, ob ein Kind mit einer Puppe oder einem Kuscheltier spielt, denn ein Kuscheltier bietet vor allem Trost und ggf. Sicherheit/ Vertrautheit. Demgegenüber kann das Kind sich mit einer Puppe als Abbild des Menschen besser identifizieren. Dadurch regt das Spiel mit Puppen mehr zu Rollenspielen und Nachahmungen an, wodurch wiederum soziale und emotionale Fähigkeiten der Kinder gefördert werden können.